Happy Birthday Frau Werth. Schön, dass Sie sich die Zeit nehmen und uns einen Einblick in ihr Leben zu diesem besonderen Jubiläum gewähren. Lassen Sie uns mit Ihrer Jugend beginnen. Sie sind mit 15 Jahren in Boppard Marienberg ins Pensionat der Ursulinen eingetreten. Wie war diese Zeit für Sie?
Es war eine sehr prägende Zeit für mich. Die Mädchenpension bei den Ursulinen war zwar streng, aber sie bot mir auch eine gute Ausbildung und half mir, selbstständiger zu werden. Die Disziplin, die dort gelehrt wurde, hat mir später im Leben sehr geholfen.
Sie waren auch engagiert im Roten Kreuz. Was hat Sie dazu motiviert?
In diesen schweren Zeiten wollte ich unbedingt helfen, wo ich konnte. Die Arbeit im Roten Kreuz war zwar herausfordernd, aber auch sehr erfüllend. Es war wichtig, Menschen in Not Unterstützung zu bieten, und das war meine Motivation, mich dort zu engagieren.
Später wurden Sie von der deutschen Wehrmacht eingezogen und arbeiteten als Fernschreiberin bei der Hauptverkehrsdirektion in Paris. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Die Arbeit als Fernschreiberin war anspruchsvoll, keine Frage. Und die Atmosphäre in Paris war teils angespannt. Aber ich habe versucht, die Stadt und ihre Kultur zu genießen, soweit es die Umstände erlaubten. Paris war zu dieser Zeit sowohl faszinierend als auch herausfordernd.
Während Ihrer Zeit in Paris lernten Sie Ihren Mann kennen. Er war beim Heer und Sie bei der Luftwaffe, daher durften sie ihre Liebe nicht öffentlich machen. Wie haben Sie es geschafft, Ihre Beziehung geheim zu halten?
Das war tatsächlich eine Herausforderung. Wir mussten unsere Beziehung geheim halten, um keine Probleme zu bekommen. Er stellte mich oft als sein „Cousinchen“ vor. Es war nicht einfach, aber wir haben es geschafft, unsere Beziehung zu bewahren, trotz der strengen Vorschriften.
Sie mussten mit sieben Artikeln aus Paris fliehen und hatten kein Geld oder Ausweis. Wie haben Sie diese schwierige Zeit überstanden?
Es war eine äußerst schwierige Situation. Ich bin alleine aus Paris mit dem ersten Zug, der ins Saarland fuhr, geflohen. Auch wenn ich weder Geld noch Papiere bei mir hatte, habe ich mich durchgeschlagen und letztendlich einen Weg gefunden, sicher zurückzukommen.
Wie verlief Ihr Leben nach der Rückkehr nach Deutschland?
Als ich wieder zu Hause war, stand eines Tages die Polizei vor meiner Tür und das war in dieser Zeit nie ein gutes Zeichen. Aber man sagte mir, meine Arbeit würde in der Nähe von Jena gebraucht und dort traf ich dann meinen Mann wieder.
Als der Krieg vorbei war, waren wir finanziell sehr eingeschränkt. Mein Mann war Berufssoldat im Staatsdienst und auf einmal gab es keine Arbeit mehr. Wir haben bei den Bauern im Ort gehamstert, um unsere Familie durchzubringen. Mittlerweile habe ich drei Kinder, fünf Enkel und vier Urenkel. Und bin richtig stolz auf meine Familie.
Ihr größtes Idol war Hanna Reitsch, die berühmte Fliegerin. Wie hat diese Frau Sie inspiriert?
Hanna Reitsch war für mich ein großes Idol. Ihre Leidenschaft für die Fliegerei und ihre beeindruckende Karriere haben mich sehr inspiriert. Sie hat mir gezeigt, dass man seine Träume verfolgen sollte, egal wie groß die Herausforderungen auch sein mögen. Ich bin übrigens nie geflogen.
Seit 2019 leben Sie im Haus St. Martin. Was gefällt Ihnen dort am besten?
Mein Lieblingsplatz ist direkt vor der Tür des Altenheims, wo ich alles beobachten kann, was draußen passiert. Der Innenhof ist sehr schön und bietet mir viel Freude. Es ist ein Ort, an dem ich mich wohlfühle und gerne meinen Lebensabend verbringe.